East Side Story

East-Side-Story II: Eisenhüttenstadt

Die Planstadt Eisenhüttenstadt (vormals Stalinstadt) entstand ab 1950 rund um das Eisenhüttenkombinat vom Reißbrett und bestand anfänglich nur aus Zuzüglern. Die Bevölkerung schwoll kontinuierlich an auf etwas über 50.000, um dann nach der Wende auf unter 25.000 zu schrumpfen.

Für das Projekt Eisenhüttenstadt zwischen Modell und Museum vom Kunstverein Neuzelle beschäftigten wir uns mit der Relevanz und Wirkung von offiziellen Fotos, die die vorbildliche Entwicklung der sozialistischen Modellstadt aufzeigen sollten. Auf der Suche nach dem 'Neuen Menschen' wurde Eisenhüttenstadt immer wieder ausgiebig fotografisch dokumentiert.

 

12. Story: Blick auf Eisenhüttenstadt



Das Original-Foto stammt von Heinz Sturm und wurde am 21.8.1954 im Auftrag des ADN (Allgemeinen Deutschen Nachrichtendiensts) erstellt, der einzigen Nachrichten- und Bildagentur der DDR.
Heute befindet es sich im Bundesarchiv in Koblenz.
 
Bildunterschrift:
Gleichzeitig mit dem Eisenhüttenkombinat ‚J.W.Stalin‘ entstand in unmittelbarer Nähe des Werkes die erste sozialistische Stadt der Deutschen Demokratischen Republik, Stalinstadt. Werktätige, die hier in der Nähe ihren Urlaub verbringen, schauen genauso voller Stolz und Bewunderung auf das hier Geleistete, wie die Bevölkerung, die hier eine neue Heimat gefunden hat. In Kürze wird ein Caferestaurant eröffnet werden, ein Teil ist bereits in Betrieb, das sich mit den Restaurants 'Warschau' und ‚Budapest‘ in Berlin messen kann.
 
Hinweis des Bundesarchivs:
Bilder des Bestands »Bild 183 ADN« können ideologisch gefärbte und teilweise nachträglich zu den Bildern hinzugefügte Texte enthalten, die z.T. den tatsächlichen Bildinhalt nicht korrekt oder wertend beschreiben.
 
Die Nachstellung entstand mit Mitgliedern der Tanzgruppe KUZ auf dem Hochhaus an der Diehloer Straße. 
Der damalige Fotograf stand vermutlich an der Stelle, wo sich später die Berggaststätte Dieloher Höhe (‘Huckel‘) befand. Hohe Bäume, Dickicht und Unterholz lassen heute von dort keinen Blick auf die Stadt mehr frei.

13. Story: Im Kinderwochenheim



Original-Foto: wahrscheinlich Martin Lücke.
Aus dem Bildband 'Stalinstadt. Neues Leben - Neue Menschen' von Heinz Colditz und Martin Lücke, Kongress-Verlag Berlin, 1958.
Essensausgabe in einem Kinderwochenheim, in dem die Kinder von Montag früh bis Freitag abends untergebracht waren, damit Mutti arbeiten konnte.
 
Bei der Nachstellung im Gebäude eines ehemaligen Kinderwochenheims mit Mitgliedern der Tanzgruppe KUZ bemerkten wir, dass die Aufnahme eher im spiegelbildlich angeordneten Gebäude an der Erich-Weinert-Allee aufgenommen worden sein muss.

14. Story: Räuber und Gendarm



Original-Foto: wahrscheinlich Martin Lücke.
Aus dem Bildband ‚Stalinstadt. Neues Leben - Neue Menschen‘ von Heinz Colditz und Martin Lücke, Kongress-Verlag Berlin, 1958.

Herr R., der als ca. 8-jähriger Junge auf dem Bild an der Säule steht, hatte uns das Foto mitgebracht.
Er erinnert sich, dass er damals gerne Räuber und Gendarm spielte und mit dem Springseil die Polizeiuniform nachahmte. Die kleineren Kinder durften kurz vor dem Mittagessen - auf dem Foto ist es 11.20 Uhr - durch den Hof rennen, damit sie guten Hunger bekamen.
An den Fotografen kann Herr R. sich nicht erinnern. Auch bekam er damals keinen Abzug und entdeckte das Bild erst Jahre später in einer Zeitschrift.

Herr R. wünschte sich eine Nachstellung dieses Fotos zu seinem 70. Geburtstag. Er ist genauso alt wie Eisenhüttenstadt und lebt hier seit seinem 4. Lebensjahr.
Sein Lebensresümee:

Ich habe mein Leben gelebt, wie es sein sollte.
Aber auch, wie ich es wollte.

Das Bild wurde mit Schülern und Erzieherinnen der Pestalozzi-Schule nachgestellt.

15. Story: But



Auch dieses Original-Foto aus Frau C.‘s Privatbesitz ist nicht wirklich privat. Es entstand 1981 vermutlich für ein Brigadetagebuch an der Poliklinik.

Fotos sollten die monatlichen Berichte auflockern, deren Anfertigung als lästig empfunden wurde. Offiziell galt das Brigadetagebuch als:

„ein wesentlicher Faktor beim Bilden des sozialistischen Bewusstseins und somit unerlässlich für das Erfüllen der ökonomischen Hauptaufgabe. Es soll in möglichst mannigfacher Weise und kontinuierlich alle wichtigen Geschehnisse über das sozialistische Arbeiten, Lernen und Leben der Brigade widerspiegeln.“
aus:  Wie schreiben wir unser Brigadetagebuch, Ursula Langspach-Steinhaußen, 1970


Fast 40 Jahre später stellt Frau C. die Szene aus ihrem Berufsleben noch einmal nach.